Die Universität Bern hat den DMC gebeten, die Forschung im Bereich Gendefekte der Belgischen Schäferhunde zu unterstützen:
In einem internationalen Team forschen wir seit 2012 an der Aufklärung von Erbkrankheiten bei Belgischen Schäferhunden. Dabei untersuchen wir vor allem Fälle von cerebellärer Ataxie. Von einer cerebellären Ataxie spricht man, wenn ein Hund Koordinationsstörungen in der Bewegung zeigt, welche durch eine Schädigung des Kleinhirns hervorgerufen werden. Bislang konnten wir zwei Gendefekte aufklären, die zu klinisch ganz ähnlich verlaufenden Ataxien führen. Ein dritter Gendefekt führt zu «schwachen Welpen» mit sehr variablen Beeinträchtigungen, die ebenfalls Bewegungsstörungen umfassen können.
Bezeichnung | Vererbung | Gentest seit | Krankheitsbild |
SDCA1 | autosomal rezessiv |
2016 | zunehmende Bewegungsstörungen ab der 4.-6. Lebenswoche, Tod vor der 20. Lebenswoche |
SDCA2 | autosomal rezessiv | 2017 | zunehmende Bewegungsstörungen ab der 4.-6. Lebenswoche, Tod vor der 10. Lebenswoche |
CJM | autosomal rezessiv | 2020 | variables und unspezifisches Bild, z.B. totgeborene Welpen, schwache Welpen, Zittern, Tod vor der 10. Lebenswoche |
Spongiöse Kleinhirndegeneration mit zerebellarer Ataxie (SDCA1) ist eine neurodegenerative Erkrankung bei Belgischen Schäferhunden. Diese Erkrankung wird durch eine Punktmutation c.986T>C im Gen KCNJ10 verursacht. Dieses Gen codiert Kaliumkanäle, die im zentralen Nervensystem, in Augen, im inneren Ohr und Nieren vorkommen. Störung der Funktion des Kaliumkanals in der Kleinhirnrinde führt zur Anhäufung von Kalium im Extrazellulärraum, Reduzierung des Membranpotentials und zum nachfolgendem Auftreten von neurologischen Anfällen. Die Mutation wurde bei den Malinois und Tervueren gefunden. Bei anderen Varianten der Belgischen Schäferhunde wurde diese Mutation noch nicht gefunden, man kann jedoch nicht ausschließen, dass sie in der Zukunft nicht gefunden wird. Die Häufigkeit des Auftretens des mutierten Allels in dieser Hundepopulation ist 2,9 %. Das Vorkommen dieser Mutation bei Hunderassen, die in der Vergangenheit mit belgischen Schäferhunden gekreuzt wurden, z.B. einige Linien der Holländischen Schäferhunde, kann nicht ausgeschlossen werden.
Die ersten Symptome treten schon vor dem Alter von zwei Monaten auf. Es wird angeführt, dass die Symptome bei Welpen meistens im Alter zwischen 4,5 und 8,5 Wochen bemerkbar werden. Die betroffenen Hunde zeichnen sich durch einen Gang mit breitbeinigen Hinterextremitäten aus, wodurch der Hund versucht die Stabilität zu halten und die Bewegungskoordination zu verbessern. Ferner kann man bei den kranken Welpen Stolpern, Zittern, Herumspringen, Taumeln und Umfallen beobachten. Bei manchen Welpen können abhängig von dem erlebten Stress oder nach anstrengender Bewegung Muskelkrämpfe auftreten. Die Hunde müssen aufgrund der Prognose meistens eingeschläfert werden.
Die SDCA1 ist eine rezessiv vererbte Krankheit. Die Krankheit entwickelt sich bei Hunden, die das mutierte Gen von beiden Eltern vererbt haben. Diese Hunde werden als P/P (positiv/positiv) gekennzeichnet. Die Träger des mutierten Gens, gekennzeichnet als N/P (negativ/positiv), haben das mutierte Gen nur von einem Elternteil vererbt und sind ohne klinische Anzeichen, sie tragen jedoch diese Krankheit an ihre Nachkommen über. Bei Verpaarung zwei Heterozygozen (N/P) wird theoretisch 25% der Nachkommen gesund, 50% der Nachkommen werden Träger und 25% der Nachkommen vererbt das mutierte Gen von beiden Eltern und werden also von der SDCA1 betroffen. Durch Verpaarung eines gesunden Hundes (N/N) und eines Trägers dieser Mutation (N/P) werden theoretisch in dem Wurf zu 50% Träger und zu 50% gesunde Welpen sein. Wenn ein Träger (N/P) und ein betroffener Hund (P/P) verpaart werden, so würden theoretisch 50% betroffene Hunde und 50% Träger geboren.
.
Referenz:
Kleiter, M., Högler, S., Kneissl, S., Url, A., & Leschnik, M. (2011). Spongy degeneration with cerebellar ataxia in Malinois puppies: a hereditary autosomal recessive disorder?. Journal of veterinary internal medicine, 25(3), 490-496.
Mauri, Nico, et al. "A Missense Variant in KCNJ10 in Belgian Shepherd Dogs Affected by Spongy Degeneration with Cerebellar Ataxia (SDCA1)." G3: Genes| Genomes| Genetics (2016): g3-116.
Van Poucke, M., Stee, K., Bhatti, S. F., Vanhaesebrouck, A., Bosseler, L., Peelman, L. J., & Van Ham, L. (2017). The novel homozygous KCNJ10 c. 986T> C (p.(Leu329Pro)) variant is pathogenic for the SeSAME/EAST homologue in Malinois dogs. European Journal of Human Genetics, 25(2), 222-226.
Die SDCA2 ist ein Untertyp einer neurodegenerativen Erkrankung, die als schwammige Degeneration mit cerebellärer Ataxie, die die Hunderasse Malinois (Belgischer Schäferhund) betrifft, bekannt ist.
Die SDCA2 ist relativ variable Erkrankung in Bezug auf den Krankheitsbeginn, die Schwere der Erkrankung und die histopathologischen Läsionen. Die cerebelläre Dysfunktion tritt im Alter des Welpen von ca. 4 bis 6 Wochen auf. Die Hauptsymptome sind breite ataxische Gangart, die hauptsächlich bei den Hinterextremitäten auffällig ist, Gleichgewichtsverlust und mangelhafte Bewegungskoordination (Stolpern, Taumeln, Umfallen, Zittern). Bei den betroffenen Welpen kann schwankender breitbeiniger Gang beobachtet werden. Auf diese Art versuchen die Hunde die Stabilität zu gewinnen und die Koordination zu verbessern. Die Prognose verschlechtert sich und endet gewöhnlich durch Euthanasierung des betroffenen Welpen.
Die Krankheit wird durch die Mutation c.130_131ins227 im ATP1B2-Gen, das für die beta 2- Untereinheit-Isoforme der Na+/K+ ATPase kodiert, verursacht. Die beta 2-Untereinheit ist überwiegend im Gehirn, insbesondere im Kleinhirn exprimiert. Die Na+/K+ ATPase ist ein Protein der plasmatischen Membrane, dessen Aufgabe ist die Homöostase in den Zellen zu regulieren. Die Störungen der K+-Homöostase in dem zentralen Nervensystem werden offen mit den neurologischen Störungen wie cerebelläre Dysfunktion und Epilepsie verbunden. Die Mutation wurde bei den Malinois und Tervueren gefunden. Bei anderen Varianten der Belgischen Schäferhunde wurde diese Mutation noch nicht gefunden, man kann jedoch nicht ausschließen, dass sie in der Zukunft nicht gefunden wird. Das Vorkommen dieser Mutation bei Hunderassen, die in der Vergangenheit mit belgischen Schäferhunden gekreuzt wurden, z.B. einige Linien der Holländischen Schäferhunde, kann nicht ausgeschlossen werden.
Die SDCA2 ist eine rezessiv vererbte Krankheit. Die Krankheit entwickelt sich bei Hunden, die das mutierte Gen von beiden Eltern vererbt haben. Diese Hunde werden als P/P (positiv/positiv) gekennzeichnet. Die Träger des mutierten Gens, gekennzeichnet als N/P (negativ/positiv), haben das mutierte Gen nur von einem Elternteil vererbt und sind ohne klinische Anzeichen, sie tragen jedoch diese Krankheit an ihre Nachkommen über. Bei Verpaarung zwei Heterozygozen (N/P) wird theoretisch 25% der Nachkommen gesund, 50% der Nachkommen werden Träger und 25% der Nachkommen vererbt das mutierte Gen von beiden Eltern und werden also von der SDCA2 betroffen. Durch Verpaarung eines gesunden Hundes (N/N) und eines Trägers dieser Mutation (N/P) werden theoretisch in dem Wurf zu 50% Träger und zu 50% gesunde Welpen sein. Wenn ein Träger (N/P) und ein betroffener Hund (P/P) verpaart werden, so würden theoretisch 50% betroffene Hunde und 50% Träger geboren.
.
Referenz:
Nico Mauri, Miriam Kleiter, Elisabeth Dietschi, Michael Leschnik, Sandra Högler, Michaela Wiedmer, Joëlle Dietrich, Diana Henke, Frank Steffen, Simone Schuller, Corinne Gurtner, Nadine Stokar-Regenscheit, Donal O'Toole, Thomas Bilzer, Christiane Herden, Anna Oevermann, Vidhya Jagannathan and Tosso Leeb: A SINE Insertion in ATP1B2 in Belgian Shepherd Dogs Affected by Spongy Degeneration with Cerebellar Ataxia (SDCA2); G3: GENES, GENOMES, GENETICS Early online June 15, 2017; https://doi.org/10.1534/g3.117.043018
Kardiomyopathie mit juveniler Mortalität (CJM) ist eine Erbkrankheit, die durch vorzeitiges Sterben von Welpen bei der Geburt oder spätestens im Alter von 6 bis 8 Wochen charakterisiert ist. Die Welpen entwickeln sich zuerst normal, später zeigen sich unspezifische klinische Symptome, wie z.B. Erbrechen, unkoordinierte Bewegungen (Zittern, Stolpern), respiratorische Probleme. Die Welpen sterben einige Tage nach Erscheinen der ersten klinischen Anzeichen infolge des Herzversagens.
Diese Krankheit wird durch Mutation c. 1054G>A im YARS2 Gen, das die mitochondriale Tyrosyl-tRNA Synthetase 2 kodiert, verursacht. Eukaryotische Organismen haben zwei Tyrosyl-tRNA Synthetasen – zytoplasmatische (YARS1) und mitochondriale (YARS2). Diese zwei Synthetase-Arten haben evolutionär konservierte Sequenzmotive (die man bei Tieren, Pilzen und auch bei Pflanzen finden kann). Dies zeigt darauf, wie wichtig die Konservierung der richtigen Sequenz für die Funktion des Organismus ist. Die Mutation c. 1054G>A beeinflusst die Funktion des YARS2-Gens und, hindert richtiges Erkennen und Bindung der mitochondrialen tRNA. Den Verlust der YARS2 Funktion kann auch bei Menschen beobachten werden, die Patienten haben ähnliche Symptome wir die Belgischen Schäferhunde, sie leiden an Myopathie, Laktatazidose, Anämie und führt zum vorzeitigen Tod.
Die das CJM verursachende Mutation wird autosomal rezessiv vererbt. Die Erkrankung entwickelt sich nur bei Individuen, die das mutierte Gen von beiden Elternteilen vererben. Diese Individuen werden als P/P (positiv/positiv) bezeichnet. Die Träger des mutierten Gens, bezeichnet als N/P (negativ/positiv), haben das mutierte Gen nur von einem Elternteil vererbt und haben keine klinischen Symptome, sie tragen jedoch die Erkrankung auf seine Nachkommen über. Durch genetische Untersuchung wird das mutierte Allel entdeckt und so kann weiterer Ausbreitung dieser Mutation vorgebeugt werden.
.
Referenz:
Gurtner, C., Hug, P., Kleiter, M., Köhler, K., Dietschi, E., Jagannathan, V., & Leeb, T. (2020). YARS2 Missense Variant in Belgian Shepherd Dogs with Cardiomyopathy and Juvenile Mortality. Genes, 11(3), 313.